Autoren

Elisabeth Plattner

Elisabeth Plattner, 9.7.1899 – 26.12.1994:

Erziehung aus Vertrauen
Zum zehnten Todestag der Pädagogin Elisabeth Plattner
von Frank Berger

Es gibt wenige Autoren, die über Jahre, ja Jahrzehnte hinweg unvermindert gern und viel gelesen werden. Und es gibt nicht allzu viele Bücher, deren Substanz so lange trägt, dass mehrere Generationen davon profitieren – ohne dass ein Ende dieses Nutzens absehbar wäre. Vielleicht liegt der Grund ja in der seelischen und geistigen Vitalität eines Menschen, die so stark ist, dass sie sogar noch das gedruckte Wort, die gedruckten Gedanken durchzieht. Jedenfalls wäre das eine Erklärung für die Langzeitwirkung der Schriften von Elisabeth Plattner.

Sie wurde in eine Zeit hineingeboren, in der es nur wenigen Frauen vergönnt war, das Abitur abzulegen oder gar zu studieren. Auch die junge Elisabeth musste das schmerzvoll erfahren: Als Schülerin des Humanistischen Mädchen-Gymnasiums in Stuttgart hatte sie die Reifeprüfung extern an einer Knabenschule nicht nur in einer Auswahl, wie die Jungen, sondern in jedem Fach einzeln abzulegen. Sie war dann zeitweise die einzige Studentin in den Fächern Mathematik und Physik zunächst in Stuttgart, dann Tübingen und Genf. In Tübingen ertönte damals noch manchmal lautes Füßescharren, wenn eine Studentin den Hörsaal betrat – bevor sie aufgefordert wurde, den Raum zu verlassen. Elisabeth bestand trotz aller Schwierigkeiten die Staatsexamina für das Höhere Lehramt. Sie zog nach Berlin, sammelte an verschiedenen Privatschulen wertvolle Erfahrungen und Ideen über eine andere Art des Unterrichtens.

Die Heirat mit Dipl. Ing. Hermann Plattner 1924 führte sie für einige Jahre nach Japan, wo sie an deutschen Schulen in Tokio unterrichtete. Sie war tief beeindruckt, wie anders dort die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern war: getragen von Vertrauen, gegenseitiger Achtung, ja Verehrung, nicht auf Macht und Zwang basierend. Wieder in Deutschland, entfaltete sich ihre pädagogisch große Begabung in wachsenden Kreisen. Mütterkurse, erste Veröffentlichungen, Dolmetschertätigkeit, dann Radiosendungen über Pädagogik, Sprachkurse in der von ihr selbst gegründeten Sprachschule. In einem von der württembergischen Schulbehörde genehmigten Schulversuch erhielt sie schließlich die Gelegenheit, ihre Erkenntnisse erfolgreich in die Praxis umzusetzen. Noch im hohen Alter engagierte sie sich aktiv in der Bildungs- und Umweltpolitik, um das Überleben ihrer Kinder und Enkel in der heutigen veränderten und gefährdeten Welt sicherzustellen. Selbst mit immenser Energie und Charisma gesegnet, lebte sie immer eine Autorität ohne Gewalt, in Familie, Beruf, Politik und Religion (so einer ihrer Buchtitel) vor.