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Bregje Hofstede erzählt von zerbrochener Liebe

»Bregje Hofstedes erster Roman, ›Der Himmel über Paris‹, erzählt von einem Professor für Kunstgeschichte an der Sorbonne, 52 Jahre alt und umgetrieben von den großen Fragen: verpasste Lebenschancen, der Fluch des Selbstbetrugs, andauernde Mutlosigkeit. Als der Roman herauskam, fragte die Presse immer wieder, wie autobiografisch er sei, erzählt die Autorin, selbst Jahrgang 1988 und damit alles andere als ein 52-jähriger Kunstprofessor. Um diese Frage gleich vom Tisch zu haben, treibt sie in ihrem neuen Buch die Lust am autobiografischen Lesen selbstbewusst weiter: Bregje heißt die Erzählerin, und diese junge Frau teilt nicht nur den Vornamen mit ihrer Urheberin.

Bregje ist eine Frau, die den Stift selten aus der Hand legt und ihn vor allem dafür nutzt, ihre Lebensgeschichte in Form zu bringen: Eine unermüdliche Tagebuchschreiberin ist sie – mit all den Tücken, die diese Disziplin mit sich bringt. Die Gnade des Vergessens hat Bregje gegen eine Regalwand der Beweislast eingetauscht, jedes Detail der Liebe ist dokumentiert und eingeordnet. Das Vertrackte: Das Reflektieren hilft ihr nicht, klar zu sehen. Dass ihr die Liebe keine Lebendigkeit mehr schenkt, verrät ihr nicht das Schreiben, sondern der Körper: Es verraten Flecken auf Hals und Brust eine Serie schlafloser Nächte. ›Die Schlaflosigkeit spielt eine große Rolle in dem Roman‹, so die Autorin. ›Sie sagt sich immer, er ist die große Liebe, der Eine, aber der Körper protestiert. Als ob die Kontrolle, die sie sprachlich versucht zu haben, den Körper nicht erreicht.‹

Dieser Roman sucht nicht nur nach Wendungen, die dem Gedanken "Ich liebe dich" wieder sprachliche Kraft und Unverbrauchtheit geben. Er findet auch verschiedenste Bilder für die Verletzungen einer Liebenden: "flügellahm" werden, "Schwielen auf der Seele" entwickeln – eine Art der Verwundung, die die Erzählerin zugleich ablehnt. Eher schon spielt sie eine Situation gedanklich noch einmal durch – so als "betastete man mit einer Zunge einen wehen Zahn, wobei einem jedes winzige Loch wie ein Riesenkrater vorkommt".

Beim Lecken der Wunden bleibt es aber nicht, der Roman fragt zugleich nach dem Reparieren und Heilen: Wie kann das Ich wieder stark werden? Aber auch: Wie kann ich eine Liebe brechen, ohne einen Scherbenhaufen zu hinterlassen, eher schon: eine geteilte Tasse, die mit Goldpulver wieder zusammengefügt wurde. Keine Einheit mehr, aber auch kein hässlicher Abfall?«

Marie Schoeß, BR2


Die Rezension von Marie Schoeß in voller Länge, ergänzt um O-Töne der Autorin, finden Sie zum Nachhören auf den Seiten des Bayerischen Rundfunks.